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Orvieto - Die Christusvision_B

Thomas von Aquin - Gebete

1. Liturgische Werke

Es sind nicht in erster Linie seine großen theologischen oder philosophischen Werke, mit denen Thomas von Aquin im Glaubensleben der Kirche bis in die Gegenwart präsent ist, sondern seine Dichtungen: die Hymnen und die Sequenz, die er auf Bitten Papst Urbans IV. (vor 1200-1264) für das Offizium des seinerzeit neu eingeführte Fronleichnamsfest 1264 verfaßt hat und die bis heute zum festen Bestand der katholischen Liturgie gehören. Durch die Jahrhunderte hindurch haben sie zu musikalischen Bearbeitungen und Vertonungen für den Gottesdienst angeregt. Und noch in der Gegenwart wird das sogenannte „Tantum ergo“, die beiden Abschlußstrophen des Vesperhymnus „Pange lingua“, regelmäßig zur eucharistischen Anbetung und zum sakramentalen Segen gesungen. 
Kurz: Die eucharistischen Dichtungen des Thomas von Aquin sind sein bleibendes Vermächtnis für den Glauben der Kirche!

Orvieto im Jahr 1264. - Biographisch fällt die Abfassung dieser Werke genau in die Mitte seiner Lehrtätigkeit und steht so auch chronologisch im Zentrum seines Werks: Thomas war 1261 mit 36 Jahren zum Lektor des Dominikanerkonvents in Orvieto bestellt worden und sollte dort bis 1265 wirken. Die Nähe zum päpstlichen Hof, der damals in der Stadt seinen Sitz hatte, schlug sich in einer Reihe von Auftragsarbeiten (etwa der Catena aurea) nieder, u.a. in der Zusammenstellung der Texte für die einzelnen Teile des Stundengebetes und die liturgischen Texte für die Messe des Fronleichnamsfestes, dem Officium de festo Corporis Christi ad mandatum Urbani Papae). Die Aufgabe umfaßte für Thomas dabei 
(1) die redaktionelle Zusammenstellung von Texten aus der Heiligen Schrift sowie der Kirchenväterliteratur (für die Prim/Lesehore), sowie 
(2) deren Ergänzung durch schöpferische Eigendichtungen in Form von Hymnen für das Stundengebet und die Sequenz für die Messe. Aus seiner Feder stammen so die folgenden Texte:

1. Hymnus zur Ersten Vesper: „Pange lingua“ (Tonaufnahme: Zisterziensermönche des Stifts Heiligenkreuz, 2014) 

2. Hymnus zur Matutin „Verbum supernum prodiens“ (Tonaufnahme: Cantori Gregoriani, 2011)

3. Hymnus zu den Laudes „Sacris solemniis“  (Tonaufnahme: Benediktinermönche der Abtei St. Maurice & St. Maur, Clervaux, 1959)

4. Sequenz für die Heilige Messe „Lauda Sion”  (Tonaufnahme: Benediktinermönche der Abtei St. Maurice & St. Maur, Clervaux, 1959)


Die Übersetzungen versuchen den lateinischen Text möglichst wörtlich wiederzugeben. Auf Versmaß oder Reim ist dagegen im deutschen Text nicht geachtet.

2. Persönliche Gebete

Otto van Veen (1556-1629), Vita D. Thomae Aquinatis, Antwerpen 1610, Kupferstich, S. 25: Tod des Thomas in Fossanova

Daneben sind eine Reihe von persönlichen Gebeten unter dem Namen des Thomas von Aquin überliefert. Das bekannteste ist zweifellos der Hymnus „Adoro te devote“. Er gehört nicht zum Fronleichnamsoffizium und ist separat entstanden, vermutlich allerdings in unmittelbarer zeitlicher Nähe. Der ältesten Biographie zufolge soll Thomas es auf dem Totenbett gebetet haben (vgl. Wilhelm von Tocco, Historia S. Thomae Aquinatis c. 53). Jüngere handschriftliche Forschungen haben einige Varianten im ursprünglichen Textbestand gegenüber der traditionellen Überlieferung zu Tage gefördert. Deren wichtigste ist die Fassung des ersten Verses, der „Adoro te devote, latens veritas“ und nicht „deitas“ lautet. In der geläufigen deutschen Übersetzung von Petronia Steiner, die in der Liturgie verwendet wird, müßte man daher singen: „Wahrheit, tief verborgen“ statt „Gottheit, tief verborgen“. 

1. Hymnus „Adoro te devote“ (Tonaufnahme: Zisterziensermönche des Stifts Heiligenkreuz, 2014)Zur Interpretation des Hymnus

In der Historia S. Thomae Aquinatis (c. 29) des Wilhelm von Tocco findet sich außerdem ein Gebet verzeichnet, das Thomas täglich gebetet haben soll: 

2. Gebet „Concede mihi“

Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Gebete, die unter dem Namen des Thomas von Aquin überliefert sind. Allerdings ist ihre Echtheit nicht leicht nachzuweisen. Eine Sammlung von Thomas zugeschriebenen Gebeten findet sich in: Piae Preces, in: Thomae de Aquino, Opuscula theologica, vol. 2, ed. R.A. Verardo/R. Spiazzi, Rom – Turin 1954, 283-289. Sie sind im folgenden zusammen mit einer (möglichst wörtlichen) deutschen Übersetzung wiedergegeben: